Ratgeber Tiermedizin

Die Geburt

So groß das Tierreich, so unterschiedlich die Variationen der Fortpflanzung.

Foto: © Dr. Tina Hölscher, aktion tier

Elefanten tragen ihr Baby zwei Jahre mit sich im Bauch herum, Katzen nur zwei Monate, Mäusedamen entbinden ihre Jungtiere bereits 19 Tage nach der Befruchtung. Menschenaffen säugen ihren Nachwuchs über Jahre, eine Hündin ist froh, wenn die Welpen sie nach zwölf Wochen in Ruhe lassen. Pandabären und Fledermäuse bekommen meist nur ein Junges, Katzen zwei bis fünf, Hamster bekommen sogar bis zu neun Säuglinge. Allen gemein jedoch ist, dass der Tag der Geburt ein ganz besonderes Erlebnis ist.

Doch es gibt rund um die Vermehrung noch viel mehr zu bestaunen. So können manche Tierarten, darunter Eisbären und Seelöwen, den Geburtstermin um Wochen verzögern. Erst wenn das Nahrungsangebot ausreichend und die Witterung günstig ist, um Mutter und Kind zu ernähren, entwickelt sich der Embryo bis hin zur Geburtsreife. Manche Tierarten wie Kängurus und Wombats gebären ihren Nachwuchs in einem sehr frühreifen Stadium. Direkt nach der Geburt krabbelt das Kleine in den Beutel der Mutter und entwickelt sich hier in aller Seelenruhe weiter. Nahrung gibt es genug, denn hier drin sind auch die Zitzen versteckt. Sehr gemütlich!

Allen Tiermüttern gemein ist, dass sie sich eine ruhige und stressfreie Umgebung wünschen, um ihre Jungtiere zu gebären.

Nur wenn sich das Muttertier entspannen kann und sich sicher fühlt, gibt der Körper das „Go“, um den Nachwuchs das Licht der Welt erblicken zu lassen. Andernfalls – fühlt sich die Mutter beobachtet und unsicher – verzögert sich die Geburt. Über eine kurze Zeitspanne hinweg ist das kein Problem. Hält dieser unruhige Zustand aber Stunden oder gar Tage an, kann es zu fatalen Störungen im Geburtsverlauf kommen. Was lernen wir daraus? Jeder der sich glücklich schätzen darf, einer Tiergeburt beiwohnen zu dürfen, sollte sich eines ganz dick hinter die Ohren schreiben: Das Muttertier braucht Ruhe, Ruhe und ganz viel Ruhe. Es will nicht gestreichelt und liebkost werden, es möchte kein Kissen hierhin und dorthin geräumt haben. Lässt man die Mutter machen, richtet sie sich so ein, wie sie es mag. Bei Katzen kann das in einer Geburt in der Sockenschublade münden, die Hündin sucht sich das Arbeitszimmer als Geburtsstätte aus. Je weniger der Mensch eingreift, umso besser. Zumindest, solange alles normal läuft. In ruhiger Atmosphäre treten bei Geburten in der Tierwelt wenig Komplikationen auf. Die Dauer variiert stark. Mache Tierarten, so die Robben, neigen zu Sturzgeburten, die nur Sekunden dauern, bei anderen zieht sich die Sache über Stunden.

Katze kurz vor Geburt.
Katze kurz vor Geburt, jetzt braucht sie einen ruhigen vertrauten Platz. Foto: © Dr. Tina Hölscher, aktion tier

Haben die Kleinen das Licht der Welt erblickt und ihre ersten Atemzüge getan, steht schon die erste Mahlzeit an. Also führt sie der Weg direkt an die Zitzen des Muttertieres. Hier erwartet sie die so genannte Kolostralmilch, auch Erstmilch genannt. Sie wird gegen Ende der Schwangerschaft gebildet und ist besonders gehaltvoll. Vor allem der hohe Prozentsatz an Antikörpern macht sie so wichtig für die Jungtiere. Auf diese Weise nehmen diese nämlich Abwehrstoffe gegen die verschiedensten Krankheiten über die Nahrung auf. Ohne je selbst krank gewesen oder geimpft worden zu sein, haben sie damit schon eine ordentlich gestärkte Immunabwehr gegen eine Vielzahl von Krankheiten direkt über die Muttermilch vermittelt bekommen.

Wie lange die Kleinen die Vollpension im Hause Mama genießen dürfen und sollen, hängt von der jeweiligen Tierart ab. Ein vorzeitiges Trennen von Mutter und Kind sollte unterlassen werden. Eine gute körperliche und psychische Entwicklung hängt unter anderem davon ab, ob die Jungtiere ausreichend lange beim Muttertier verbleiben dürfen. Wenn sie in den vollen Genuss dieser Säugezeit kommen, stehen die Chancen sehr gut, dass sie selbst zu starken und mental gesunden Erwachsenen werden können.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.